Lesen lernt man nur, indem man selber liest – ein Exkurs

@AnnaFröhlich

Ein kleiner Exkurs in das große Thema Lesen muss auch mal sein und somit beschäftigt sich der heutige Blogbeitrag damit! Lest genau und probiert bald einige der Ideen aus. 🙂

Literaturaneignung beginnt weit vor Schulbeginn und auch bevor die Kinder in den Kindergarten oder in die Tagespflege gehen. Der Zugang über Bilderbücher setzt keine Schriftkundigkeit und Lesefertigkeit voraus.
Wenn das Kind mit poetisch geformter Sprache (Reime/Abzählverse), durch Lieder mit Spielhandlung, durch das Erzählen und Vorlesen durch Erwachsene in Berührung kommt, entwickelt es eine Fähigkeit, sich Bilder vorzustellen und sie auszuschmücken. Es entwickelt eine erste Beziehung zur Literatur und dies setzt erste „Fantasiekräfte“ frei.

Literatur und Schule – ein Spannungsfeld?
In deutschen Schulen wird wenig vorgelesen! Wirklich? Ich konnte es kaum glauben, denn in meinen eigenen Lerngruppen habe ich sogar oft mehrmals täglich vorgelesen und die Kinder durch freie Lesezeiten motiviert.
Doch laut einer Untersuchung von K. Richter und M. Plath zur „Lesemotivation in der Grundschule“ hat jede vierte der befragten Lehrerkräfte im laufenden Schuljahr kein einziges Kinderbuch mit der Klasse gelesen.

In erster Linie präsentiert sich Literatur überwiegend in schriftlicher Form und das Wort verliert seinen magischen Glanz durch mühsames und stockendes Buchstabieren.
Lesefähigkeit und Textverstehenskompetenz driften zu Beginn der Grundschulzeit weit auseinander. Somit muss bereits im Vorfeld dieses bestehende Spannungsfeld den Vorteil von Bilderbüchern in den Fokus rücken. Bilderbücher zwingen ihrem Leser keinerlei Geschwindigkeit im Betrachten auf und das Tempo kann selbst bestimmt werden.
Bei der Auswahl von Erstelesebüchern ist auf Folgendes zu achten:
* eine anspruchsvolle Erzählform unterstützt den Prozess des Lesenlernens
* ein geringer Textumfang, aber sprachlich anspruchsvoll sollte es sein
* inhaltlich komplexe und ästhetisch gestaltete Bilderbücher als Alternative zu wenig inspirierenden Erstlesebüchern anbieten
*„Gelenkstelle“ zwischen alten und neuen Medien (www.onilo.de) suchen

Ein didaktisch orientiertes Modell von Lesekompetenz

Prozessebene
Lesen ist ein kognitiv konstruktiver Vorgang, der die aktive Bildung von Bedeutung verlangt. Auf der Prozessebene wird zwischen der hierarchieniedrigen und der hierarchiehöheren Ebene unterschieden.

Hierarchieniedrigere Ebene
Auf dieser Ebene ist die semantische Verfügbarkeit von Wörtern entscheidend für die Lesegeschwindigkeit.
Leseanfänger, die über einen differenzierten Wortschatz und entsprechendes Kontextwissen verfügen, haben auf diesem niedrigsten Level einen Vorteil, indem sie während des Lesens präzisere Erwartungen entwickeln. Beim kompetenten Leser verläuft diese Ebene automatisiert.

Hierarchiehöhere Ebene
Auf dieser Ebene geht es um die inhaltliche Gesamtvorstellung des Texte und das Zusammenschließen von erfahrungsbasierten Vermutungen des Lesers.

Subjektebene
Die Subjektebene bildet die innere Beteiligung des Lesers zum eigenen Lebensweltbezug ab.

Soziale Ebene
Auf der sozialen Ebene geht es darum über das Lesen zu sprechen, sich einen Kommunikationspartner zu suchen, in einen Austausch zu treten und dadurch kulturelle Zusammenhänge kennen zulernen.

Was versteht man unter Lautleseverfahren?
Das Lautleseverfahren ist eine Form des Lesetrainings, bei denen Schülerinnen und Schülern durch das laute Lesen von kurzen Texten oder Textabschnitten vor allem ihre Lesefähigkeit bei der Worterkennung, der Verbindung von Wortfolgen im Satzzusammenhang und bei der Herstellung von Relationen zwischen den einzelnen Sätzen üben können.
Hierbei soll es zu einer Verbesserung der hierarchieniedrigen Leseteilleistungen (Wort- und Satzidentifikation) kommen.

Bedeutung der Lesegeschwindigkeit für das Textverstehen
„Wenn […] die hierarchieniedrigen Dekodierprozesse zu viel Aufmerksamkeit beanspruchen, weil Wörter- und Satzteile mehrere Male langsam erlesen werden müssen, können längere und kompliziertere Textabschnitte kaum mehr bewältigt werden“ (Rosebrock et al., 2016, S.15).

Leseflüssigkeit umfasst …
… das exakte Dekodieren von Wörtern.
… die Automatisierung der Dekodierprozesse.
… eine angemessene schnelle Lesegeschwindigkeit.
… die Fähigkeit zur sinngemäßen Betonung des gelesenen Satzes, die zu einem ausdrucksstarken Vorlesen führt.

Wiederholtes Lautlesen („repeated reading“)
Lernende, die nicht flüssig lesen können, lesen einem Tutor einen kurzen, für sie mittelschweren Text so lange immer wieder vor, bis sie einen zuvor festgelegten Standardwert an gelesenen Wörtern pro Minute erreicht haben.

Schafft in euren Lerngruppen Vorlesesituationen, für die sich die Lernenden vorbereiten müssen:
– Lesethron
– „cross-age-reading“  
– Vorlesewettbewerb …
Hier freue ich mich sehr, wenn jemand weitere Ideen und Umsetzungsmöglichkeiten hat.

Chorisches Lautlesen („assisted reading“)
Ein kompetenterer Leser fungiert als Lesevorbild. Er liest mit einem weniger gut lesenden Schüler einen Text laut vor.
Lese-Trainer und Lese-Sportler
Es gibt verschiedene Grundmuster:
* Chorlesen: Trainer und Sportler lesen fortlaufend simultan.
* Echolesen: Der Sportler wiederholt die vom Trainer vorgelesenen Sätze zeitlich verzögert.
* Lückenlesen: Trainer setzt an bestimmten Stellen aus, der Sportler muss dann alleine lesen

Vielleseverfahren
* freie Lesezeiten als feste Termine im Unterricht
* Leseolympiade
* Lesepass
* stille Lesezeiten
* Vorlesemarkt

Auch hier freue ich mich sehr, wenn jemand weitere Ideen und Umsetzungsmöglichkeiten hat.

@SandraKirschbaum

Durch Lesestrategien kann der Leser:
* die im Text aufbereiteten Informationen (effektiver) erschließen.
* auftretende Verständnisschwierigkeiten bewusst wahrnehmen und meistern.
* das Gelesene in Verbindung mit eigenem Vorwissen bringen.

Lesestrategien in der Praxis
* Fragen zum Text beantworten
* Fragen an den Text stellen
* Textteile kategorisieren und den Text sinnvoll strukturieren
* Text mit dem Bild lesen
* Fachbegriffe farbig markieren
* Text in andere Darstellungsformen übertragen, z.B. Skizze, Bild, Tabelle, Mindmap * * * Verschiedene Texte zum Thema vergleichen
* Schlüsselwörter suchen und den Text zusammenfassen

Lesestrategien – vor dem Lesen
Der Inhalt wir durch erstes Lesen der Überschrift und durch eine Betrachtung der Bilder angebahnt. Dies kommt vor allem SuS mit geringem Vorwissen zugute, da sie ihren Wortschatz nebenher ausbauen, wenn sie den anderen SuS bei der Formulierung ihrer Vermutungen zuhören. Die SuS sollen all ihre Vermutungen schriftlich fixieren. (wichtig für die Lesestrategie – nach dem Lesen)

@ErnstKlettVerlag

Lesestrategien – während des Lesens

  • mit Schlüsselwörter zusammenfassen
  • Fragen zu einem Text beantworten
    – Lies den Text.
    – Lies die Fragen und suche die Antworten im Text.
    – Schreibe die Antworten auf.
    Hier ist es von Vorteil, wenn der Text in Silbendruck abgedruckt wird und der Lesepfeil als Unterstützung zum Erlesen des Textes zum Einsatz kommt.
  • Texte in andere Darstellungsformen übertragen
    – Das Erstellen eines/r Cluster/ Mindmap verhilft den SuS zu einer gut strukturierten Übersicht über den gelesenen Text.
@ErnstKlettVerlag

Lesestrategien – nach dem Lesen
Die SuS überprüfen ihre Vermutungen, die sie bereits vor dem Lesen schriftlich festgehalten haben und können nun anhand ihrer gesammelten Schlüsselwörter eine Nacherzählung des Textes anbahnen.

@ErnstKlettVerlag

Eine Praxisdee zur Kriterienerarbeitung dieses Dreischritts (vor-während-nach dem Lesen) ist eine Vorbereitung von drei Lernplakaten. Gebt exakt die Anzahl der Punkte auf jedem der Plakate an und legt eine gemeinsame Sammlung mit allen passenden Kriterien an. Dadurch bezieht ihr die SuS aktiv mit ein, rückt die Mitarbeit und den Wiedererkennungswert in den Mittelpunkt und erhöht die Chance, dass die SuS ihre Produkte aktiv nutzen. Ich erlebe immer wieder, dass mitgebrachte/ gekaufte Plakate etc. von uns Lehrkräften zwar sehr hübsch, qualitativ hochwertig aussehen und inhaltlich korrekt sind, die SuS aber nur in sehr eingeschränktem Maße damit arbeiten und auf dieses Materialien zurückgreifen.

Lesetagebuch schreiben
Eine schöne Idee ist das Lesetagebuch, die die Arbeit mit einer Ganzschrift über einen längeren Zeitraum begleitet.

Lesekonferenz durchführen
Eine wunderbare Idee, sich über einen gelesenen Text oder ein gelesenes Buch auszutauschen, bietet die Lesekonferenz.

Leseförderung mit Hörtexten/ -büchern
DIe vorgestellten Lesestrategien zielen oft auf unsere schwachen SuS ab. Aber auch die mittleren und starken LeserInnen müssen wir im Block haben und entsprechend fördern, so dass keine Stagnation der Leseleistung eintritt.
Folgende Ideen habe ich einmal zusammengestellt und ich bin mir ziemlich sicher, dass es noch viele viele mehr gibt.
-individuelles Üben über Kopfhörer
-eigene Abspielgeschwindigkeit und Vorlesegeschwindigkeit regeln
Einer meiner Internetfunde ist die Seite: www.amira-lesen.de
Dort findet ihr 34 Kinderbücher als Ebooks, die offline nutzbar sind. Die SuS können die parallele Lesen und Anhören und das alles in neun verschiedenen Sprachen.
Florian Emrich betreibt seinen Blog auf den es sich lohnt einmal zu schauen.

Dort findet ihr unter anderem ein wunderbares Video, das Euch ein Tool des OneNote -Readers erklärt. Es liest Texte vor, passt die Stimmfarbe an, regelt die Abspielgeschwindigkeit und Textdarstellung (Silbenzerlegung, Wortarten farblich kennzeichnen…)

@FlorianEmrich

Nun bleibt mir nur noch zu sagen:
Bringt die Kinder so früh es geht mit Literatur in Berührung!

@TyroliaVerlag

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